KfW– Machbarkeitsstudie

Eine Machbarkeitsstudie, beauftragt von der KfW bei EVEREST und dem DIW Econ, zeigt Wege zu niedrigschwelliger, digitaler und vereinfachter Solo-Selbstständigkeit.

Ausgangslage

In Deutschland ist die Zahl der Gründungen rückläufig, sowohl statistisch als auch strukturell. Die Hürden sind hoch, das System komplex, das Risiko für viele zu groß. Bei der Betrachtung von Einzelgründungen zeigt sich: Es gibt einen hohen Rechercheaufwand, Einkommen und Umsätze müssen geschätzt werden und je nach Institution gibt es verschiedene Definitionen von Nebenerwerb. All das erschwert den Prozess.  

Frankreich hingegen zeigt seit Jahren, dass es anders geht: Mit dem „Autoentrepreneur“-Modell wurde ein Rahmen geschaffen, der Gründung digital und niedrigschwellig ermöglicht. Ende Juni 2022 waren über zwei Millionen Menschen Autoentrepreneur*innen und drei von vier gaben in Umfragen an, dass sie ohne dieses Modell nicht den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen wären. 

Vor diesem Hintergrund stellte sich die zentrale Frage: Was lässt sich vom französischen Autoentrepreneur-Modell für Deutschland lernen? Um Antworten zu finden, beauftragte die KfW eine Machbarkeitsstudie, durchgeführt von EVEREST gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Econ). 

Lösungsansatz

Der Ansatz war interdisziplinär und evidenzbasiert: Ein Systemvergleich zwischen Frankreich und Deutschland bildete die Grundlage. Analysiert wurden rechtliche, finanzielle und institutionelle Rahmenbedingungen, also Einstiegshürden, Risiken und soziale Absicherung. 

 

Grafik 1: Vergleich Deutschland und Frankreich

Ergänzend führten wir Gespräche mit zentralen Expert*innen beider Länder – darunter Dr. Andreas Lutz (Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland, kurz VGSD e.V.), Peter Lutsch (Sidepreneur), Frank Lasch (GEM Frankreich, Montpellier Business School), Prof. Stephanie Birkner und Dr. Teita Bijedić-Krumm des ifM Bonn. Die Interviews zeigten deutlich, wo Deutschland strukturell zurückliegt und welche Innovationspotenziale bestehen. Außerdem haben wir unseren erarbeiteten Ansatz mit der Expertengruppe diskutiert.  

Um die Perspektive der französischen Autoentrepreneur*innen zu erhalten, führten wir auch mit dieser Gruppe Interviews. Beispielsweise um zu identifizieren, warum sie sich für das Modell entschieden haben, wie sie den Alltag erleben und welche Stolpersteine in der Praxis bestehen. Ziel war es, konkrete Ansatzpunkte für eine übertragbare, digitale Lösung in Deutschland zu entwickeln. Ein Produkt, das Solo-Selbstständigkeit vereinfacht, Vertrauen schafft und Mut zum Ausprobieren stärkt. 

Ergebnisse der Machbarkeitsstudie

Die Studie lieferte drei zentrale Erkenntnisse: 

1. Digitaler Zugang als Gamechanger: 

In Frankreich erfolgt die Anmeldung zur Selbstständigkeit zentral und volldigital. Alle relevanten Behörden sind eingebunden, die Informationen werden an die notwendigen Stellen weitergeleitet, organisiert durch die URSSAF (Union de Recouvrement des Cotisations de Sécurité Sociale et d'Allocations Familiales). 

2. Umsatzabhängige Beiträge schaffen Sicherheit: 

Steuern und Sozialabgaben richten sich direkt nach dem Umsatz und werden anhand von Pauschalen berechnet. Dadurch sind die Abgaben von Anfang an transparent und planbar. In Deutschland hingegen existieren fragmentierte Zuständigkeiten, unterschiedliche Definitionen sowie Abgaben, die auf Gewinn-und Umsatz-Schätzungen basieren. Diese Schätzung ist im Voraus kaum möglich. Die Komplexität des deutschen Systems erschwert Planung und überfordert Gründungswillige. 

3. Vielfältige Schwellenwerte sorgen für Transparenz und Motivation 

Das französische Modell nutzt gezielt differenzierte Schwellenwerte (siehe Grafik 1), um die Selbstständigen zu den Beginn finanziell zu entlasten. 

Diese Staffelungen geben Orientierung und senken Einstiegshürden. Im deutschen System gibt es auch Schwellenwerte, wie beispielsweise die Kleinunternehmerregelung oder der Gewerbesteuerfreibetrag. Diese sind jedoch deutlich niedriger angesetzt.  

Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie ist also:  
Eine enggefasste Übertragung nach Deutschland würde tiefgreifende regulatorische Reformen erfordern: Zentralisierung, digitale Schnittstellen, umsatzbasierte (Sozial)Abgaben, höhere Schwellenwerte und einheitliche Definitionen.  

Doch das ist kein Hindernis. Denn wir haben eine Möglichkeit erarbeitet, in der wir auch ohne regulatorische Veränderungen die Erkenntnisse aus der Studie nutzen können, um eine Vereinfachung für deutsche Solo-Selbstständige herbeizuführen. Wir haben geschaut, wie wir bestehenden deutsche Vereinfachungen nutzen und zusammenstecken können, um eine Art „Gründungspaket für Kleinstgründungen“ daraus zu machen.  

[Mehr Informationen gibt es in unserem EmpowerBlog zum Autoentrepreneur] 

 

Vom Modell zur Anwendung: StartDeins in der Gründerplattform-App

Das zentrale konzeptionelle Ergebnis der Machbarkeitsstudie ist StartDeins – ein digitaler Gründungsservice, der als Pilot direkt in der Gründerplattform-App umgesetzt wurde. 

Konkret arbeiten wir mit StartDeins an einem digitalen Service, der Solo-Selbstständige dabei unterstützt, sich möglichst einfach, digital und gut informiert bei allen notwendigen Behörden anzumelden und in die eigene Gründung zu starten. Unser Angebot setzt keine Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen voraus. Stattdessen bündeln wir alle in Deutschland verfügbaren Erleichterungen und haben dabei die Seite der Gründer*innen im Fokus.  

StartDeins ist im ersten Schritt gezielt auf Solo-Selbstständige zugeschnitten. So wird etwa im Rahmen der steuerlichen Erstanmeldung die Kleinunternehmerregelung vorausgewählt. Diese Voreinstellungen, die erläutert und per Klick akzeptiert werden, reduzieren die Anzahl der abzugebenden Angaben und macht den Anmeldeprozess gerade in der sensiblen Anfangsphase übersichtlicher und planbarer. Natürlich können diese Empfehlung auch abgewählt werden. Bei der Abwahl bleiben die Nutzer*innen in der App und können weiterhin ihre Gründung dort durchführen, allerdings fallen Sie aus dem vereinfachten „StartDeins-Gründungsweg“ heraus. Mehr zu dem Unternehmens-Anmeldeprozess in der App gibt es in diesem Empower°-Blogbeitrag: “Digitale Gewerbeanmeldung über die Gründerplattform: Berlin startet als erstes den Vollservice”. Außerdem unterstützen wir die Gründenden auch bei der Einschätzung, ob sie Freiberuflich oder gewerblich sind. Ein Thema, das sehr viele beschäftigt und verwirrt.  

Mit diesem „RegTech“-Ansatz, der bestehende Regularien pragmatisch vorkonfiguriert, möchten wir mehr Menschen motivieren, ihre Geschäftsidee einfach mal umzusetzen. Bei der Ausgestaltung des User-Flows haben wir uns von anderen „RegTech-Ansätzen“, wie beispielsweise Taxfix, inspirieren lassen. Auch nach der Anmeldung begleiten wir Gründende weiter. Mit Fachwissen, Tools und persönlichen Empfehlungen. 

Mit dem StartDeins-Ansatz können wir folgende identifizierte Hürden verringern:  

 

Abbildung 2: Erleichterungen durch StartDeins 

Umgesetzt und getestet wird der Service zunächst in der Gründerplattform-App. Wir sind sehr gespannt, wohin uns diese Reise führen wird und werden an weiteren Vereinfachungen arbeiten.  

Ausblick

Der nächste Schritt ist bereits definiert: Abmelden auf Knopfdruck. Damit wird der Gründungszyklus vollständig digital – ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einem durchlässigen, teilhabeorientierten Gründungssystem.  

bhp